Verbraucherschutz muss man richtig machen - Ein Kommentar von Ökofinanz-21 e.V.
Bad Salzuflen (opm) - Die
SPD-Fraktion im Bundestag hat eine Gesetzesinitiative zur
Finanzberatung (BT-Drucksache 17/8182) eingebracht, mit der die
Honorarregelung für Finanzberater als Standard durchgesetzt werden soll.
Begründet wird dies hauptsächlich damit, dass nur so eine
verbrauchergerechte Beratung gewährleistet werden könne.
In
dem 12-Punkte-Papier werden Eckpunkte für die Etablierung des
Berufsbildes "Honorarberater" formuliert. Abgesehen von einigen
gravierenden fachlichen Schwächen des Gesetzentwurfs, auf die weiter
unter noch eingegangen wird, müssen wir als Verband unabhängiger
Berater/innen Einspruch erheben. Richtig ist die Überlegung, den
Menschen in diesem Land eine fachlich gute, faire und unabhängige
Finanzberatung zu ermöglichen. Dies wird umso notwendiger als der
Sozialstaat aus vielerlei Gründen eine auskömmliche Absicherung der
Bürgerinnen und Bürger immer weniger finanzieren kann. Die Eigenvorsorge
für Krankheit, Berufsunfähigkeit, Alter und Pflege ist dringend
geboten, wenn der Abstieg in Armut verhindert werden soll. Dazu ist
kompetente, verlässliche und individuelle Beratung erforderlich. Diese
hat ihren Wert und ihren Preis. Das heißt, sie muss für die
qualifizierten Berater/innen auskömmlich und für die zu beratenden
Menschen bezahlbar sein.
Ebenso ist richtig, dass in der
Vergangenheit - und leider immer wieder auch heute noch -
Geschäftsmodelle in der Finanzwelt praktiziert werden, die maximalen
Profit aus der Vermittlung von Finanzprodukten erzielen wollen. (Wir
können nicht vergessen, dass einige dieser großen Strukturvertriebe
bekanntlich lange Zeit sehr gute und fruchtbare Beziehungen zur SPD
pflegten.) In der Präambel des SPD-Vorschlags bedient man sich einer
Diktion, die durch ständige Wiederholung durch "Verbraucherschützer"
nicht wahrer wird. Es heißt dort "Die Finanzvermittlung ist häufig
provisionsgetrieben." Im darauf folgenden Text wird aber durch teilweise
wörtliche Übernahme von Aussagen der Verbraucherzentralen (ohne dies so
zu kennzeichnen ) in der Gesamtdiktion unterstellt, dass dieses
unziemliche Verhalten eigentlich die Regel in der Branche sei. Gegen
diese Pflege eines populistischen Vorurteils müssen wir uns verwahren!
Grundsätzlich
begrüßen wir die Möglichkeit der Honorarregelung. So wie bei anderen
beratenden Berufen entlohnt der Auftraggeber den Dienstleister. Das ist
fair für alle Beteiligten. Die allgemeine Lebenserfahrung wie auch alle
Umfragen und Marktforschungen der letzten zwei Jahre zeigen jedoch, dass
ein allgemeines Bewusstsein für den Wert einer finanziellen
Beratungsleistung wenig verbreitet ist. Mit anderen Worten: Wir haben in
Deutschland leider noch keine Kultur dafür entwickelt, dass guter Rat
nicht umsonst oder für kleines Geld zu haben ist. Daran muss planvoll
und langfristig gearbeitet werden. Wir sind dabei! Mit kurzfristigem
Aktionismus und einer behördlichen "Aufklärungskampagne", wie die SPD
sie fordert, ist dieser "Kulturwandel" wohl kaum zu gestalten.
Eine
Kehrseite des favorisierten Honorarmodells bleibt völlig unreflektiert
(was bei Sozialdemokraten schon erstaunt): Vermögende und Gutverdiener
profitieren davon, sie ziehen ohnehin jetzt schon häufig das
Honorarmodell dem Provisionsmodell vor. Hingegen würden diejenigen, die
den fachlichen Rat für Vorsorge noch viel dringender brauchen, von einer
Beratung ausgeschlossen - weil sie diese einfach nicht bezahlen können.
Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise eine alleinerziehende
teilzeitbeschäftigte Frau für eine Gesamtberatung von z.B. 5-6 Stunden
nicht 500 EUR oder mehr bezahlen will, kann und wird. Aufgrund ähnlicher
Erfahrungen in anderen Lebensbereichen steht zu befürchten, dass viele
auf Finanz-Discounter und Online-Tools ausweichen - mit allen
unerwünschten Folgen, die sich daraus ergeben.
Einen falschen
Zungenschlag bekommt die SPD-Initiative durch die Behauptung, die
bisherige Entlohnung durch Provisionen und Courtagen seien maßgeblich
verantwortlich dafür, dass Tausende von Anlegern in der Finanzkrise ihr
Geld verloren haben. Es ist nicht zu bestreiten, dass es
unverantwortliches und unanständiges Fehlverhalten von nicht wenigen in
der Finanzbranche gegeben hat und gibt. Die Berufs- und
Beratungspflichten sind jedoch in den letzten Jahren verschärft worden
und stellen einen deutlich besseren Schutz für Verbraucherinnen und
Verbraucher dar als noch zu Zeiten, als die SPD führende
Regierungspartei war.
Die bisherigen Tätigkeiten der
Bundesregierung sind sicher noch nicht befriedigend und bedürfen der
weiteren Verbesserung. Zudem ist die Verortung der Angelegenheit
ausschließlich im Hause von Frau Aigner (BMELV) problematisch. Hier
schließen wir uns den Anmerkungen des Arbeitgeberverbands der
finanzdienstleistenden Wirtschaft (AfW) an.
Die Kritik der SPD
bleibt dagegen blass und unklar. In der von den Sozialdemokraten
gewünschten Art ist die verordnete Etablierung der Honorarberatung aus
unserer Sicht "nicht zielführend", wie es im Politikjargon heißt.
Einige Anmerkungen zu Einzelheiten des SPD-Vorschlags:
·
Inwieweit haftet der Berater für seinen Rat? Was soll seine
obligatorische Berufshaftpflichtversicherung abdecken? Braucht ein
Finanzberater nicht eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung - so
wie z.B. ein Arzt, Steuerberater, Rechtsanwalt oder
Versicherungsvermittler?
· Welche Aufgaben und Sanktionsmöglichkeiten soll eine neue Kontrollbehörde haben?
· Was qualifiziert die Verbraucherzentralen als quasi "geborene" Instanz für diese "Finanzwächter"?
· Wonach soll sich der Umfang der Beratung bemessen und wie ist die Höhe der Stundensätze für die Honorarberatung zu ermitteln?
·
Mit welchen Mitteln und Hebeln soll sichergestellt werden, dass alle
Akteure am Finanzmarkt Netto-Tarife und Netto-Beteiligungen anbieten?
Wir meinen: Auch fachlich ist an der SPD-Initiative vieles unausgereift, wenig kompetent recherchiert und nicht zu Ende gedacht.
Wie
plädieren für einen offenen Diskussionsprozess, in dem um beste
Lösungen gerungen wird. Man sollte sich im Vorhinein auf folgende Ziele
ohne Probleme einigen können:
- Transparenz und Verbraucherschutz müssen auf allen Ebenen sichergestellt werden.
- Die Beratung in Vorsorge- und Vermögensfragen erfordert ein Mindeststandard an Qualifikation.
- Die Haftung der Berater und der Produktgeber muss klar im Interesse der Verbraucher definiert werden.
Zum
Schluss: Wir von ökofinanz-21 wollen den Weg zu einer geregelten und
fairen Finanzberatung konstruktiv begleiten und mitgestalten.
✗
Wir können uns vorstellen, dass es für eine mehrjährige Übergangszeit
Hybridlösungen für Beraterinnen und Berater gibt. Das bedeutet: Dem
Kunden bzw. Auftraggeber werden vor Beginn einer Beratung beide Wege
(Courtage oder Honorar) mit allen Folgen (Haftung!) vorgestellt. Dazu
gehört ein Kostenvoranschlag, ähnlich wie wir es von
Handwerkerleistungen oder beim Zahnarzt kennen.
✗ Kommt es nach der
Honorarberatung zu einer Produktvermittlung, die Provision beinhaltet,
so kann/muss diese verrechnet werden. Diese "Hybridlösung" ist solange
erforderlich, als es keine völlige Netto-Produkte
am Markt gibt. Die Offenlegung aller Kosten ist logischerweise unabdingbar.
✗
Jede Beraterin / Jeder Berater hat die Freiheit, den Preis für
ihre/seine Dienstleistungen selbst festzulegen. Sie/Er wird
verpflichtet, diesen "Preisaushang" zu veröffentlichen und den
Interessenten zusammen mit der Erstinformation bzw. den AGB
auszuhändigen.
✗ Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und
Verbraucherorganisationen haben die Aufgabe, eine sozialverträgliche
Lösung zu erarbeiten, die allen Menschen den Zugang zu einer
qualifizierten Finanz- und Vorsorgeberatung ermöglicht. Diese
Subventionierung muss im Gegenzug sicherstellen, dass die zugelassenen
Finanzberaterinnen und -beratern ein auskömmliches Honorar erhalten.
Für den Vorstand:
Votum ökofinanz-21 e.V. zur Honorarberatung, 23. Januar 2012
Mittwoch, 25. Januar 2012
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