Mittwoch, 25. Januar 2012

Populismus statt Fachkunde

Verbraucherschutz muss man richtig machen - Ein Kommentar von Ökofinanz-21 e.V.

Bad Salzuflen (opm) - Die SPD-Fraktion im Bundestag hat eine Gesetzesinitiative zur Finanzberatung (BT-Drucksache 17/8182) eingebracht, mit der die Honorarregelung für Finanzberater als Standard durchgesetzt werden soll. Begründet wird dies hauptsächlich damit, dass nur so eine verbrauchergerechte Beratung gewährleistet werden könne.

In dem 12-Punkte-Papier werden Eckpunkte für die Etablierung des Berufsbildes "Honorarberater" formuliert. Abgesehen von einigen gravierenden fachlichen Schwächen des Gesetzentwurfs, auf die weiter unter noch eingegangen wird, müssen wir als Verband unabhängiger Berater/innen Einspruch erheben. Richtig ist die Überlegung, den Menschen in diesem Land eine fachlich gute, faire und unabhängige Finanzberatung zu ermöglichen. Dies wird umso notwendiger als der Sozialstaat aus vielerlei Gründen eine auskömmliche Absicherung der Bürgerinnen und Bürger immer weniger finanzieren kann. Die Eigenvorsorge für Krankheit, Berufsunfähigkeit, Alter und Pflege ist dringend geboten, wenn der Abstieg in Armut verhindert werden soll. Dazu ist kompetente, verlässliche und individuelle Beratung erforderlich. Diese hat ihren Wert und ihren Preis. Das  heißt, sie muss für die qualifizierten Berater/innen auskömmlich und für die zu beratenden Menschen bezahlbar sein.

Ebenso ist richtig, dass in der Vergangenheit - und leider immer wieder auch heute noch - Geschäftsmodelle in der Finanzwelt praktiziert werden, die maximalen Profit aus der Vermittlung von Finanzprodukten erzielen wollen. (Wir können nicht vergessen, dass einige dieser großen Strukturvertriebe bekanntlich lange Zeit sehr gute und fruchtbare Beziehungen zur SPD pflegten.) In der Präambel des SPD-Vorschlags bedient man sich einer Diktion, die durch ständige Wiederholung durch "Verbraucherschützer" nicht wahrer wird. Es heißt dort "Die Finanzvermittlung ist häufig provisionsgetrieben." Im darauf folgenden Text wird aber durch teilweise wörtliche Übernahme von Aussagen der Verbraucherzentralen (ohne dies so zu kennzeichnen ) in der Gesamtdiktion unterstellt, dass dieses unziemliche Verhalten eigentlich die Regel in der Branche sei. Gegen diese Pflege eines populistischen Vorurteils müssen wir uns verwahren!

Grundsätzlich begrüßen wir die Möglichkeit der Honorarregelung. So wie bei anderen beratenden Berufen entlohnt der Auftraggeber den Dienstleister. Das ist fair für alle Beteiligten. Die allgemeine Lebenserfahrung wie auch alle Umfragen und Marktforschungen der letzten zwei Jahre zeigen jedoch, dass ein allgemeines Bewusstsein für den Wert einer finanziellen Beratungsleistung wenig verbreitet ist. Mit anderen Worten: Wir haben in Deutschland leider noch keine Kultur dafür entwickelt, dass guter Rat nicht umsonst oder für kleines Geld zu haben ist. Daran muss planvoll und langfristig gearbeitet werden. Wir sind dabei! Mit kurzfristigem Aktionismus und einer behördlichen "Aufklärungskampagne", wie die SPD sie fordert, ist dieser "Kulturwandel" wohl kaum zu gestalten.

Eine Kehrseite des favorisierten Honorarmodells bleibt völlig unreflektiert (was bei Sozialdemokraten schon erstaunt): Vermögende und Gutverdiener profitieren davon, sie ziehen ohnehin jetzt schon häufig das Honorarmodell dem Provisionsmodell vor. Hingegen würden diejenigen, die den fachlichen Rat für Vorsorge noch viel dringender brauchen, von einer Beratung ausgeschlossen - weil sie diese einfach nicht bezahlen können. Es liegt auf der Hand, dass beispielsweise eine alleinerziehende teilzeitbeschäftigte Frau für eine Gesamtberatung von z.B. 5-6 Stunden nicht 500 EUR oder mehr bezahlen will, kann und wird. Aufgrund ähnlicher Erfahrungen in anderen Lebensbereichen steht zu befürchten, dass viele auf Finanz-Discounter und Online-Tools ausweichen - mit allen unerwünschten Folgen, die sich daraus ergeben.

Einen falschen Zungenschlag bekommt die SPD-Initiative durch die Behauptung, die bisherige Entlohnung durch Provisionen und Courtagen seien maßgeblich verantwortlich dafür, dass Tausende von Anlegern in der Finanzkrise ihr Geld verloren haben. Es ist nicht zu bestreiten, dass es unverantwortliches und unanständiges Fehlverhalten von nicht wenigen in der Finanzbranche gegeben hat und gibt. Die Berufs- und Beratungspflichten sind jedoch in den letzten Jahren verschärft worden und stellen einen deutlich besseren Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher dar als noch zu Zeiten, als die SPD führende Regierungspartei war.

Die bisherigen Tätigkeiten der Bundesregierung sind sicher noch nicht befriedigend und bedürfen der weiteren Verbesserung. Zudem ist die Verortung der Angelegenheit ausschließlich im Hause von Frau Aigner (BMELV) problematisch. Hier schließen wir uns den Anmerkungen des Arbeitgeberverbands der finanzdienstleistenden Wirtschaft (AfW) an.

Die Kritik der SPD bleibt dagegen blass und unklar. In der von den Sozialdemokraten gewünschten Art ist die verordnete Etablierung der Honorarberatung aus unserer Sicht "nicht zielführend", wie es im Politikjargon heißt.

Einige Anmerkungen zu Einzelheiten des SPD-Vorschlags:
· Inwieweit haftet der Berater für seinen Rat? Was soll seine obligatorische Berufshaftpflichtversicherung abdecken? Braucht ein Finanzberater nicht eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung - so wie z.B. ein Arzt, Steuerberater, Rechtsanwalt oder Versicherungsvermittler?
· Welche Aufgaben und Sanktionsmöglichkeiten soll eine neue Kontrollbehörde haben?
· Was qualifiziert die Verbraucherzentralen als quasi "geborene" Instanz für diese "Finanzwächter"?
· Wonach soll sich der Umfang der Beratung bemessen und wie ist die Höhe der Stundensätze für die Honorarberatung zu ermitteln?
· Mit welchen Mitteln und Hebeln soll sichergestellt werden, dass alle Akteure am Finanzmarkt Netto-Tarife und Netto-Beteiligungen anbieten?

Wir meinen: Auch fachlich ist an der SPD-Initiative vieles unausgereift, wenig kompetent recherchiert und nicht zu Ende gedacht.

Wie plädieren für einen offenen Diskussionsprozess, in dem um beste Lösungen gerungen wird. Man sollte sich im Vorhinein auf folgende Ziele ohne Probleme einigen können:

- Transparenz und Verbraucherschutz müssen auf allen Ebenen sichergestellt werden.
- Die Beratung in Vorsorge- und Vermögensfragen erfordert ein Mindeststandard an Qualifikation.
- Die Haftung der Berater und der Produktgeber muss klar im Interesse der Verbraucher definiert werden.

Zum Schluss: Wir von ökofinanz-21 wollen den Weg zu einer geregelten und fairen Finanzberatung konstruktiv begleiten und mitgestalten.

✗ Wir können uns vorstellen, dass es für eine mehrjährige Übergangszeit Hybridlösungen für Beraterinnen und Berater gibt. Das bedeutet: Dem Kunden bzw. Auftraggeber werden vor Beginn einer Beratung beide Wege (Courtage oder Honorar) mit allen Folgen (Haftung!) vorgestellt. Dazu gehört ein Kostenvoranschlag, ähnlich wie wir es von Handwerkerleistungen oder beim Zahnarzt kennen.
✗ Kommt es nach der Honorarberatung zu einer Produktvermittlung, die Provision beinhaltet, so kann/muss diese verrechnet werden. Diese "Hybridlösung" ist solange erforderlich, als es keine völlige Netto-Produkte
am Markt gibt. Die Offenlegung aller Kosten ist logischerweise unabdingbar.
✗ Jede Beraterin / Jeder Berater hat die Freiheit, den Preis für ihre/seine Dienstleistungen selbst festzulegen. Sie/Er wird verpflichtet, diesen "Preisaushang" zu veröffentlichen und den Interessenten zusammen mit der Erstinformation bzw. den AGB auszuhändigen.
✗ Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucherorganisationen haben die Aufgabe, eine sozialverträgliche Lösung zu erarbeiten, die allen Menschen den Zugang zu einer qualifizierten Finanz- und Vorsorgeberatung ermöglicht. Diese Subventionierung muss im Gegenzug sicherstellen, dass die zugelassenen Finanzberaterinnen und -beratern ein auskömmliches Honorar erhalten.

Für den Vorstand:
Votum ökofinanz-21 e.V. zur Honorarberatung, 23. Januar 2012

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