Freitag, 17. Juni 2011

Die Mafia der Meere - Piraten


Die Mafia der Meere muss bekämpft werden!




An Bord der „Beluga Nomination“ der Bremer Reederei Beluga Group war intensiv für den Notfall trainiert worden. Alle Selbstschutzmaßnahmen, die von den internationalen Schifffahrtsverbänden empfohlen werden, wurden befolgt. Am Sonnabend, den 22. Januar, wird das Schiff dann in den Weiten des IndischenOzeans überfallen – 800 Seemeilen nördlich der Seychellen. Die Piraten gehen an Bord, nachdem das Schiff nicht entkommen konnte. Unterdessen zieht sich die Mannschaft in den eigens präparierten sicheren Raum zurück. Doch statt dass die erwartete Hilfe von einem der zahlreichen Marineschiffe kommt, nimmt das Drama seinen Lauf. Obwohl der Notruf auch an die europäische Anti-Piraten-Mission ATALANTA geht, gibt es von dort keine aktive Hilfestellung. Weder geeignete Fregatten noch Hubschrauber kommen, um die Besatzung zu befreien. „Wir sind zugegebenermaßen etwas irritiert. Wir können uns nicht erklären, warum innerhalb der zweieinhalb Tage, in denen sich die Mannschaft im Sicherheitsraum versteckt hatte, keine Hilfe von außen angeboten werden konnte“, sagt Niels Stolberg, geschäftsführender Gesellschafter der Beluga Shipping GmbH, als Eigner des Schiffes.



Drei tote Seeleute

Ein Aufklärungsflugzeug der Küstenwache des Inselstaates Seychellen war hinausgeflogen,
um zu bestätigen, dass sich weiterhin Piraten an Bord befänden. An Deck gesichtet wurden mindestens vier Seeräuber, denen es nach über zwei wertvollen Tagen gelungen ist, mit professionellem Gerät in den Sicherheitsraum einzudringen und die Kontrolle über das Schiff zu übernehmen. In den darauffolgenden Stunden können zwei Seeleute entkommen, zwei sterben vermutlich bei dem Fluchtversuch. Ein Seemann wird brutal ermordet.

Nur wenige Stunden nach der Entführung hatte die Bundesregierung zu einem Informationsgespräch über die Bedrohung durch Piraten eingeladen. Die Terminierung war zufällig. Das Ergebnis der Beratungen bleibt trotz der dramatischen Ereignisse an Bord des deutschen Schiffes ernüchternd, denn zunächst müssen in Berlin längst vorliegende Informationen gesammelt werden. Einen Monat später, am 23. Februar ist die Besatzung der „Beluga Nomination“ immer noch in Geiselhaft. Aber erstmals beschäftigt sich in Berlin jetzt der Bundestag intensiv mit der Piraterie. Eingeladen ist auch der VDR, der dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages seine Vorstellungen für einen besseren Schutz der Seeleute präsentiert. Die Abgeordneten gehen intensiv auf die Vorschläge ein und fordern spontan von der Bundesregierung ein Konzept, wie der Piraterie besser begegnet werden kann. Auch die Anhörung im Bundestag macht deutlich: Die Bedrohung ist unmittelbar – und wächst: Denn Ausrüstung und Vernetzung der Piraten werden immer besser. Schon besteht die Gefahr, dass sich die bereits gebildeten mafiaähnlichen Strukturen verfestigen. Dann kann es zu spät sein, diese noch erfolgreich zu bekämpfen. Ähnliche Strukturen drohen auch in

anderen Regionen der Weltmeere. “Die Schiffspassage durch den Sueskanal zu meiden und die Schiffe rund um Afrika fahren zu lassen, kommt einer Kapitulation der Welthandelsnation Deutschland gegenüber der international geächteten Piraterie gleich. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, alle Möglichkeiten zu prüfen, das Problem trotz der schwierigen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten zu lösen, und werden den Prozess parlamentarisch begleiten“, erklärten die Experten der CDU/CSU nach der Ausschusssitzung. Vom Koalitionspartner FDP kamen ähnliche Töne: „Wenn Geiselnehmer erst an Bord sind, ist es fast unmöglich, das Schiff zu befreien. Das Entern muss deshalb verhindert werden, notfalls auch mit deutschen Soldaten oder Bundespolizisten an Bord der Schiffe“, erklärt der Verkehrsexperte Torsten Staffelt.



Konkrete Lösungen

Sosehr sich alle über die Größe des Problems einig sind – jetzt kommt es auf kurzfristige Lösungen an. Die Seeleute können nicht warten, bis sich über Monate ein parlamentarischer Prozess entwickelt. Daher hat der VDR zwei konkrete Vorschläge gemacht, die umsetzbar erscheinen: Erstens sollte ATALANTA so interpretiert werden, dass „besonders verwundbare

Handelsschiffe“ künftig auch mit Soldaten an Bord geschützt werden. Das sieht das Mandat zwar bereits vor, praktiziert wird es aber nicht. Zweitens sollten die besonders gesicherten Korridore ausgeweitet werden. Der erste Korridor am Horn von Afrika sorgt für deutlich erhöhte Sicherheit, doch ist er viel zu klein. Es bedarf sicherer Korridore bis nach Sri Lanka und ebenso für die Nord-/Südverkehre. Die Verantwortung für die Sicherheit der Seeleute an Bord liegt zuerst bei den Reedereien. Doch die dramatischen Ereignisse der letzten Wochen zeigen, dass die passiven Schutzmaßnahmen an Grenzen stoßen. Jetzt ist die Staatengemeinschaft gefordert. Das Gewaltmonopol auf hoher See muss von ihr ausgehen. Wenn der Kampf gegen die Piraten jetzt nicht endlich wirksam geführt wird, ist der langfristigeSchaden kaum reparabel.



Quelle: Der Beitrag ist erstmalig erschienen

in der Zeitschrift „Deutsche Seeschifffahrt“,

Ausgabe März 2011.

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